22.02.2019
Nach einer kurzen Nacht geht es eher um dreiviertel als um halb fünf mit einem Minivan, sechs Franzosen und zwei Polinen durch die Dunkelheit. Kurz nach sechs Uhr kommen wir sicher am Nationalpark an, löhnen den Eintritt und bekommen einen Kaffee. In einer sehr großen Gruppe beginnen wir unsere frühe geführte Tour durch die Ruinen von Tikal. Der Park liegt, ganz anders als Chichen Itza oder Tulum, mitten im Dschungel. Viele Tempel und Anlagen sind noch völlig in grünes Dickicht eingepackt und werden gerade erst freigelegt.
Durch diese Kombination gibt es natürlich viel mehr zu sehen, als “nur” Steine und es ist für uns unglaublich reizvoll.
Der Guide erklärt uns, dass Tikal einst die Hauptstadt der Mayas gewesen sei. Von 300 vor Christus bis 930 nach Christus hauste hier das Volk der Eingeborenen, bis der Regenwald durch seine Nutzung völlig zerstört war und es weiterziehen musste. “Das ist das gleiche Phänomen, wie wir es heute mit dem Wasser oder dem Erdöl haben”, erklärt uns der Guide mitten im Grün: “Irgendwann sind diese Ressourcen aufgebraucht und wir haben eine globale Katastrophe.” Das sollte man sich mal sehr gut merken und danach handeln… Schwer vorstellbar, dass es vor etwa 1000 Jahren hier nur noch Steppe gab.
Der Park ist unglaublich groß und weitläufig. Vom Eingang bis zum größten Tempel sind es 45 Gehminuten. In der “Mundo Perdido“, der verlorenen Welt, verlieren wir passender Weise den Anschluss an unsere Gruppe und gehen alleine weiter. Es ist uns ehrlich gesagt auch lieber, den Park ab jetzt auf eigene Faust zu erkunden. Wir erklimmen den 64 Meter hohen Tempel IV – und uns stockt der Atem: Über den Baumkronen ragen die Spitzen der Mayatempel heraus. Ansonsten gibt es nur grün, soweit das Auge reicht. Ein unglaublicher Anblick.
Es ist einer dieser Momente, in dem uns plötzlich bewusst wird, wie privilegiert und gesegnet wir sind, diese Reise machen zu können, solche Ausblicke genießen und so viele Erfahrungen erleben zu dürfen.
So viel grüner Regenwald!
Tikal beeindruckt uns bisher am meisten
Mittlerweile ist die Sonne in Hochform und es wird selbst unter dem schützenden Blätterdach echt warm. Wir nehmen einen Dschungelweg, eine Calzada, und sind alleine im Wald. Prompt tauchen auch endlich ein paar Affen und Vögelchen auf. Wir sind uns sicher, noch nie reinere Luft geatmet zu haben, als in diesem Moment. Der Dschungel riecht würzig und frisch, die Luft ist feucht. Das ist also Guatemala!
Wir streifen durch die Natur und merken gar nicht, wie die Zeit vergeht. Nach gut zwei Stunden Weg wollen wir uns an einem der Imbissstände eine Cola besorgen. Dort treffen wir doch tatsächlich Julia und Carlos und können endlich unsere Schulden begleichen, was für ein Glück!
Nach neun Stunden im Nationalpark fährt uns ein Bus wieder zurück nach Flores. Von unserem Zimmer aus haben wir Ausblick auf ein kleines Restaurant mit Terrasse und Seeblick. Im “San Telmo“ lassen wir es mal richtig krachen, essen “westlich”, um unsere Mägen etwas zu beruhigen und genießen den Sonnenuntergang über dem See.
Genießerstunden im San Telmo
... bei wunderschönem Sonnenuntergang
23.02.2019
Über unser Hotel haben wir uns für heute eine Fahrt mit dem Shuttle nach Semuc Champey organisiert. Pünktlich um 8 Uhr stehen wir am Abfahrtsort und warten, wie einige andere auch, auf den Bus Richtung Coban. Keiner weiß so recht, welcher der vielen Shuttles wohin fährt. Als um halb neun endlich das Gepäck auf einen größeren Touristenbus aufgeladen wird und unsere beiden Rucksäcke schon fast festgeschnallt sind, läuft die liebe Rezeptionista auf uns zu und wedelt mit den Armen. Das sei nicht unser Bus, wir hätten heute ein Privattaxi, weil sich kein anderer gemeldet habe. Sie zeigt auf einen kleinen roten Bus. Klasse!
Wir machen es uns bequem und unser Fahrer Nelson fährt rasant aber sicher los. Nach einer halben Stunde werden wir von der Polizei angehalten. Nelson muss seinen Führerschein und seine Touristenbeförderungserlaubnis vorzeigen. “Todo bien!”, ruft er nach hinten, und die Fahrt geht weiter. Knapp 15 Minuten später die nächste Kontrolle, diesmal vom Militär mit fetten Pumpguns. Nelson muss aussteigen und den Kofferraum öffnen. Für einen Freund transportiert er einen Motorroller nach Lanquin. Die entsprechenden Papiere scheint er dabei zu haben.
Nelsons Frachtgut
Während ihn zwei Uniformierte das Moped entsichern lassen, möchte der dritte unsere Pässe sehen. Wir geben sie ihm – und er verschwindet erstmal. Während Nelson alle möglichen Verstecke und Winkel seines Motorrollers inspizieren lassen muss, überlegen wir, wie weit die Korruption in diesem Land wohl geht. Doch es ist alles gut, Nelson darf das Moped wieder einladen und wir bekommen mit einem freundlichen Lächeln unsere Pässe zurück. “Buen viaje!”, und weiter geht die Reise.
Am Horizont tauchen grün bewaldete Hügel und Berge auf. Die Natur ist wunderschön und wir kleben mit unseren Nasen an der abgedunkelten Scheibe. In den Dörfern am Straßenrand ist die wochentägliche Geschäftigkeit in vollem Gange, oft fahren wir durch einen Pulk bunt gekleideter Maya-Nachfahren, die in wildem Treiben ihre Waren an den Mann bringen wollen. Die frisch gerupften Hühner liegen dicht an dicht neben Stoffen, Kleidung und Mangos.
Wunderschöne Natur
Überholmanöver vor der Bergkuppe
Nach einer Weile kommen wir an einen breiten Fluss, den wir mit einer Fähre überqueren müssen. Wir steigen kurz aus und strecken uns – was für ein unglaubliches Glück wir mit dem lustigen Nelson und unserem Shuttle gehabt haben! Durch die Berge führt uns die kurvige Straße weiter gen Süden. Nelson fährt einige waghalsige Überholmanöver; wir beruhigen uns mit dem Gedanken, dass er die Straße und sein Auto kennt und es geht auch alles gut.
Schmeckt überall!
In Cobán, der letzten größeren Stadt vor Lanquín, machen wir an einem McDonalds Pause. Wir gönnen uns einen McFlurry mit Oreo-Cappuchino-Geschmack (unglaublich leckere Geschmacksrichtung!!!) und schon geht es weiter. In etwa 1 1/2 Stunden sind wir da, sagt Nelson. Die Landschaft wird immer fantastischer, man kann durch die Panoramastraße unglaublich weit über die Berge und den Dschungel Guatemalas sehen.
Die letzte halbe Stunde führt über eine Pistenstraße. Am Straßenrand sind die Pflanzen vollkommen mit einem Staubfilm überzogen. Von Serpentinen hält man hier nicht viel, der Weg führt einfach steil den Berg hinauf oder hinunter. Im kleinen Örtchen Lanquín, das sich ebenso steil an den Berg anschmiegt, lädt uns Nelson aus. Die letzten 10 km bis zu unserer Unterkunft bringt uns der Transfer vom “El Portal”. Sogleich kommen auch vier Fahrer auf uns zugerannt und fragen uns, wo wir hinmüssen. “Gringos, Gringos?”, schreit einer. Gaston entrüstet: “Hat der mich gerade Gringo genannt??!” Nein, es gibt anscheinend ein Hotel, das so heißt.
Abschied vom lieben Nelson
Warten auf die Weiterfahrt
Nach einiger Wartezeit werden wir samt einiger Einheimischer auf die Ladefläche eines Pickups mit Gestänge zum Festhalten geladen. Auf den Feldwegen ist das die gängige Transportart. Der Fahrer macht während des Weges erstmal seinen Wocheneinkauf, hält überall mal an und kauft durch das Fahrerfenster ein. Die wacklige Fahrt dauert eine halbe Ewigkeit, weil alle 200 Meter jemand ab- oder aufspringt. Spannend ist es trotzdem!
Kurz vor dem Ziel müssen wir eine Brücke überqueren, die den Namen “Brücke” eigentlich nicht mehr verdient. Die Holzplanken sind morsch und nur noch teilweise an den Metallstreben festgeschraubt, immer wieder klaffen große Löcher im Boden, durch die man den grünlichen Fluss sehen kann. Willkommen in Guatemala! 🙂
Das “Portal” ist wirklich sehr hübsch angelegt und wir beziehen das Dachgeschoss einer kleinen Hütte mit Holzdach. Ein Fenster gibt es nicht, eine Seite des Hauses ist bis auf ein Geländer einfach komplett offen. Man, sind wir froh über das Moskitonetz! Nach der langen Reise springen wir erstmal in den neu gebauten Infinity-Pool mit Aussicht auf die Berge und den Fluss. So lässt es sich leben!