Tag 5: Grey – Paine Grande, 11 km, 3 1/2h
Nach einer bequemen Nacht im Stockbett wachen wir erholt, aber mit schmerzenden Knochen auf. Draußen peitscht der Regen gegen das Fenster, aber im Verlauf des Tages sollen sich die Wolken lichten. Wir warten also bis mittags ab und können im Trockenen den Weg beginnen. Es ist eine (für uns) unspektakuläre Tour bis hinunter zum Paine Grande am Pehoe Lake. Das Tal, in dem das Camp liegt, wirkt wie ein Windkanal und zum ersten Mal spüren wir an diesem Tag, was patagonischer Wind wirklich ist. Mit Böen von bis zu 106 km/h peitscht er uns auf dem Weg hin und her.
Wir können kaum kontrollieren, wo wir hinlaufen und sind echt froh, als wir am frühen Nachmittag im Paine Grande ankommen. Wir merken so langsam, dass unser Körper für die Strapazen belohnt werden will und gönnen uns eine heiße Schokolade und zwei warme Mahlzeiten. Als ich in die Leggins für die Nacht schlüpfen will, bemerke ich, dass mein linkes Knie wie ein Ballon angeschwollen ist. Mist, hoffentlich erholt sich das wieder! In der Nacht peitscht der Wind gegen unser Zelt, aber es hält tapfer stand.
Tag 6: Paine Grande – Los Cuernos, 15 km, 6 1/2h
Die harten, unbequemen Nächte gehen uns langsam wirklich auf die Nerven. Durch den Sturm in der Nacht kommt es uns erst recht so vor, als hätten wir nur minutenlang geschlafen. Heute haben wir echt keine Lust zu Wandern. Immerhin ist der Weg wieder schöner und führt zunächst im Tal am See entlang. Doch auch heute bläst uns der Wind ordentlich ins Gesicht und wir sind froh, als wir wieder ein windgeschütztes Wäldchen erreichen.
Das Wetter beruhigt und wir können den langen Weg bei strahlendem Sonnenschein fortsetzen. Trotzdem sind wir heilfroh, als wir im Camp Los Cuernos angekommen sind und unser Zelt auf einer Holzplattform aufgeschlagen haben. Auch heute ist uns keine ruhige Nacht vergönnt: Es ist der 31. März, der letzte Tag der Hauptsaison und ein Grund für die Mitarbeiter, bis um 2 Uhr lärmend zu feiern…
Tag 7: Los Cuernos – Central Torres, 14 km, 5 1/2h
Desillusioniert sitzen wir beim Frühstück und zwingen zum siebten Mal geschmackloses Porridge in uns hinein. Müde wie wir eben waren hatten wir vergessen, unsere Rucksäcke von Anfang an ins Zelt zu holen und so hatte eine Maus auf der Suche nach Essbarem vier beachtliche Löchlein in meinen guten Weltreiserucksack gefressen. An dieser Stelle ein großer Dank an die Feiernden, die Gaston wachgehalten haben! So konnte er zumindest ein großes Mäusefestmahl in meinem Rucksack verhindern. Zwei Kölner, die mit uns im Paine Grande auf dem W-Trek gestartet sind, können unsere Minen gar nicht nachvollziehen, bis wir ihnen erzählen, dass das eben nicht unsere dritte, sondern schon die siebte harte Nacht im Zelt ist. „Achsoooooo!“ Ja, genau.
Der Weg zum Torres Central ist wunderschön und unsere Rucksäcke sind im Vergleich zum Anfang nun federleicht. Wir werden noch einmal mit fantastischen Eindrücken und Ausblicken für alle Strapazen belohnt. Der Nordernskjöld Lake zeigt sich von seiner besten karibisch-türkisblauen Seite. Trotzdem: Es reicht uns so langsam! Als endlich das Camp Torres in Sichtweite ist, lassen wir uns auf der Wiese ein Käsebrot schmecken. (Übrigens das teuerste Brot, das wir jemals kaufen werden: 6,50€ für ein Weißbrot…) Das waren also jetzt der O- und der W-Trek! Wir blicken hinter uns und beginnen zu verstehen, dass wir in der letzten Woche einen kompletten Nationalpark und eine Gebirgskette umrundet und durchklettert haben.
Wahnsinn.
So einfach und hässlich das erste Camp Seron war, ist auch das Central als Abschluss wieder eines der schmuddeligsten Camps – und das trotz der breiten Zufahrtsstraße und einem gepfefferten Übernachtungspreis. Sozialismus im Nationalpark! Auf einem Picknicktisch kochen wir eine letzte Riesenportion Reis mit Tomatensuppe. Während des Essens fängt es an zu regnen und wir setzen die Mahlzeit im gemütlichen Zelt fort. Auf der Suche nach überteuerten Keksen aus einem Minimarkt werden wir enttäuscht, der Bursche an der Kasse will uns fünf Minuten nach 20 Uhr partout nichts mehr verkaufen. Dann eben nicht!
Tag 8: Zurück in die Zivilisation!
Anders als im Wetterbericht vorhergesagt regnet es vormittags immer mal wieder und die Berge sind komplett in Wolken und Nebel gehüllt. Ein Aufstieg zu den Torres ist heute wirklich vollkommen sinnlos. Wir beginnen den Weg zum Chileno endlich mal ohne Gepäck, aber es zieht sich weiter zu und so kehren wir nach etwa drei Kilometern doch wieder um. Traurig sind wir nicht: Wir sind sowas von angefüllt mit Eindrücken, Aussichten, fantastischer Landschaft und Bergen!
Im Nieselregen bauen wir unser liebgewonnenes Zelt ab, weinen jedoch den Nächten im Zelt keine Träne nach. Im Bus zurück nach Puerto Natales begegnen wir noch einmal Jan und Janina und tauschen unsere Erfahrungen aus. Müde, entkräftet, aber rundum glücklich verlassen wir den Nationalpark Torres del Paine.
Ein letztes Mal Porridge...
Die Torres sind wolkenverhangen
O- und W-Trek im Torres del Paine: Ein Fazit
Mittlerweile sitzen wir unter einer warmen Daunendecke in unserem Hostel in Punta Arenas. Obwohl wir eine Nacht zu früh angekommen sind, hatte Eduardo gleich ein gemütliches Zimmer für uns. Auf der etwa fünfstündigen Busfahrt durch strömenden Regen haben wir einige Bilder auf der Kamera angesehen und sind vollkommen überwältigt, was wir in dieser Woche alles erleben durften. Das Wetter war bombig, die Natur fantastisch und die Schönheit des Parks ist wirklich der Hammer!
Wir sind dankbar, dass wir die Tour gesund und munter abschließen konnten und sind heilfroh, mit einer Gesundheit gesegnet zu sein, die es uns erlaubt, innerhalb einer Woche 120 km mit schwerem Gepäck durch Berg und Tal zurücklegen zu können. Wir wissen nun, dass unsere Ausrüstung patagonischem Wetter ebenso wie der Hitze in Rio trotzt, dass unsere Schuhe uns sicher über Stock und Stein führen, dass wir locker 8 Tage ohne Internet auskommen können, dass ein Handyakku ohne Netz über 216h Laufzeit hat und man sein gesamtes Reisegepäck ohne Angst in Plastiktüten verpackt im Hostel stehen lassen kann. Wir wissen, dass wir zusammen an unsere physischen und psychischen Grenzen gehen können, dass wir auch am Berg ähnlich empfinden und dass man in der Natur auch zu zweit wieder zu sich selbst finden kann. Wir haben wieder gelernt, einfachste Dinge wie ein Bett und eine warme Küche zu schätzen und durften die unendliche Schönheit unserer Erde aus nächster Nähe bestaunen.