``Gegen Ostern ist Weihnachten ein Kindergeburtstag!``
Ich liebe das Osterfest. Es ist wie Weihnachten, nur ohne den ganzen Trubel. An Ostern denkt keiner an Geschenke und Gänse, Ostern ist einfach nur Ostern. Ich liebe es, wenn mich der Gottesdienst zur Sterbestunde Jesu am Karfreitag so sehr bewegt, dass ich tief in meinem Herzen die Trauer um das unendliche Leid Jesus spüren kann. Ich liebe die Osternacht, in der plötzlich alles wieder hell wird, die Freude durch wunderbare Lieder wie „Christ ist erstanden“ in die Herzen der Menschen zurückkehrt und die Osterkerze erstrahlt. Ich liebe das Osterfrühstück im Gemeindehaus, während draußen die Sonne aufgeht, der beginnende Frühling alles in Pastell- und Grüntöne taucht und die Sonne lacht.
Schon seit Tagen trugen wir das Gefühl des Nicht-Daheim-Seins mit uns herum. Vielleicht war es eine Kombination aus dem kalten, ungemütlichen Klima auf der Hochebene Boliviens und Perus, dem körperlichen Unwohlsein durch den fehlenden Sauerstoff, das wir fast drei Wochen lang nicht loswerden konnten. Eine Kombination aus Vermissen der Bräuche in Deutschland, einem Hotelzimmer ohne Fenster und der fehlenden Möglichkeit, in seinem gewohnten Umfeld einfach das tun zu können, nach was einem gerade ist. Und das war gerade ein Osterfrühstück in unserer Küche, mit Ausblick auf unseren Balkon und Garten, es war ein Ostersonntag in Familie, mit einer Osternacht und mit EG 99. Es war ein guter Kaffee, ein Osterlamm. Es war das „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden“ und das „Friede sei mit dir“ in der Kirche. Aber all das war gerade unglaublich weit weg.
Man denkt doch bei der Planung einer Weltreise an Abenteuer, daran, in seiner Reisezeit möglichst viel zu sehen und möglichst viele Eindrücke zu sammeln. Man denkt nicht darüber nach, ob es einem vielleicht manchmal zu viel wird, an einen mentalen „Overload“. Doch genau das passierte an diesem Ostersonntag mit uns. Wir standen in der Kirche und völlig unvermittelt liefen uns die Tränen über das Gesicht. Und sie wollten den ganzen Vormittag lang nicht mehr aufhören. So viele Eindrücke sind alleine im letzten Monat auf uns eingeprasselt: Da war die kräftezehrende Wanderung und die bombastische Natur in Patagonien, die rührende Tour zum Uyuni, die vielen Tiere in den bolivianischen Pampas. Da waren diese unglaubliche Armut der Bevölkerung und gleichzeitig die hochmoderne Seilbahn, die Höhenkrankheit in La Paz. Da waren schwimmende Schilfinseln im Titicacasee. Und zwischen all dem war da noch so unendlich viel mehr.
Und plötzlich tauchen Fragen in unseren Köpfen auf, über die wir noch nie nachgedacht haben, weil sie vorher nie relevant waren: Was passiert, wenn wir doch eher nach Hause wollen? Wenn uns die Reise einfach zu viel wird? Wenn wir die Eindrücke nicht mehr verarbeiten können? Was passiert, wenn wir dieses Nicht-Daheim-Gefühl nicht mehr losbekommen? Brechen wir dann ab? Können wir das überhaupt so einfach?
Bis heute können wir uns nicht erklären, was genau diesen „Ausbruch“ der Emotionen in uns ausgelöst hat. Aber wir wissen, dass er heilsam war, dass es gut tat, seine Gefühle in Worte zu fassen und mit dem anderen zu teilen. Und wir wissen jetzt, dass wir uns immer mehr Pausen nehmen müssen zwischen all unseren Abenteuern. Quasi „Urlaub“ von der Weltreise. Und dass es ein Privileg ist, wie wir in Deutschland leben zu dürfen, das wissen wir schon lange. Wir sind froh über diese Momente, in denen einem – wenn auch schmerzlich – bewusst wird, was man braucht, wie privilegiert man doch ist, was für ein gutes, reiches und glückliches Leben man führt. Genau für diese Erfahrungen und Erkenntnisse zieht man doch in die weite Welt hinaus!