15. - 19.04.2019
Schon die erste Fahrt mit dem Taxi vom höchsten Flughafen der Welt „El Alto“ auf 4100 Höhenmetern ins Zentrum der Stadt La Paz – im Übrigen die höchstgelegene Verwaltungshauptstadt auf unserer schönen Erde – ist ein Abenteuer: Von der verhältnismäßig wenig befahrenen Mautautobahn können wir über das riesige Lichtermeer der am Hang gebauten Stadt blicken und sind vollkommen beeindruckt! Doch der Moment hält nicht lange an: Je weiter wir ins Zentrum vordringen, desto verrückter wird der Verkehr, desto mehr Autos, Taxis, Busse, Menschen, Bettler, Straßenverkäufer, alte Damen mit bunten Tücher und Gerüche füllen die Straßen.
La Paz gleicht einem Ameisenhaufen. Einem Ameisenhaufen bestehend aus Ziegelsteinen und Coca-kauenden Menschen. Sehr vielen Menschen, die sich gefühlt alle und zu jeder Zeit auf den Straßen aufhalten.
Schon die wenigen Meter bergauf zu unserem Hotel lassen uns in spontane Schnappatmung verfallen – einen Tag später trifft uns die Höhenkrankheit mit voller Wucht. Die Tage in La Paz halten wir nur mit Sorojche Pills, einer Mischung aus Aspirin und Koffein, aus der Apotheke aus. Wer hätte gedacht, dass einem der Sauerstoff so wichtig ist… Wie fühlen sich wohl die Bergsteiger auf dem Mount Everest?
Wie immer beunruhigt einen die Konsultation von Doktor Internet mehr, als dass sie einem nützt. Super schlaue Tipps wie „Reiseroute richtig planen“ und „langsam an die Höhe gewöhnen“ sind für Leute wie uns, die in La Paz mit dem Flugzeug landen etwas schwer umzusetzen. Der Abstieg vom 5. auf den 2. Stock im Hotel hat irgendwie auch nichts gebracht… Obwohl wir beide zu den Menschen gehören, die im Normalfall lieber ohne Medikamente auskommen, greifen wir also ab dem zweiten Abend zu den Pillen der Einheimischen und halten auf diese Weise zumindest mal einen Gang zur Pollería oder einer Fahrt mit der Gondelbahn aus. Viel trinken ist sowieso immer eine gute Idee, Coca-Tee ist zwar lecker, bringt unserer Erfahrung nach aber auch nicht wirklich viele Punkte.
Am dritten Tag in La Paz, meinem Geburtstag, fühlen wir uns gerade so fit, um eine kleine Erkundungstour zu unternehmen. La Paz ist, wie einem schon aufgefallen sein dürfte, eine Stadt der Superlative und verfügt über das größte städtische Seilbahnnetz der Welt. Nicht schlecht für eine Stadt in Bolivien, eines der ärmsten Länder Südamerikas.
Der Weg zur ersten Station führt uns an unglaublicher Armut, an verdreckten, stinkenden Straßen und halb im Koma liegenden Betrunkenen vorbei. Wir trauen uns nicht, die Kamera auszupacken. Nicht, weil wir Angst hätten, sondern weil wir uns sonst noch mehr Fehl am Platz fühlten. Aus dem Meer von unordentlichen Ziegelsteinbauten erhebt sich plötzlich eine super moderne Seilbahnstation, gebaut 2014 von der österreichischen Firma Doppelmayr. Für drei Bolivianos steigen wir ein und sind plötzlich von vollkommener Stille umgeben. In der klinisch sauberen Gondel fliegen wir über die Stadt, die von oben sogar noch dreckiger ist, als in ihren Straßen: Die Bolivianer scheinen ihre Dachterrasse oder insgesamt die meist nicht bewohnten oberen Stockwerke ihrer halb fertig geziegelten Häuser nur für die Ablagerung von Schutt, Sperrholz, Müll und nicht benutzten Objekten zu verwenden. Was für Kontraste!
Es ist ein seltsames Gefühl, in der Gondel über eine Stadt zu schweben, denn man ist irgendwie nur an Schnee, Tannenwald und ein paar Skifahrer unter sich gewöhnt. Bald genießen wir die ruhige Fahrt und arbeiten uns nach und nach mit den neun bunten Teleferico-Linien durch die ganze Stadt. Nach insgesamt etwa drei Stunden Stadtrundfahrt mit der Gondel für etwa 4,60€ beschließen wir, genug von La Paz gesehen zu haben. Obwohl die Ticketpreise zumindest für Unsereins an Dumping grenzen, scheint die Teleferico eindeutig ein Transportmittel der Reichen zu sein. Aber wundert uns das? In Bolivien leben etwa 40% der Menschen unterhalb der Armutsgrenze, das heißt von weniger als 2 US$ am Tag. Da sind 40 ct für ein Transportmittel eben einfach zu viel…
Trotz dass es uns schlecht geht, obwohl wir nicht viel sehen außer den Wänden unseres Hotelzimmers und uns an zwei Tagen nur zum Einkaufen vor die Tür schleppen, wird uns in dieser Stadt schmerzhaft und unmissverständlich bewusst, wie UNGLAUBLICH privilegiert wir sind. Noch bitterer schmeckt die Tatsache, dass wir mit dem kleinen Beitrag, den wir zur Verbesserung unserer Welt leisten wollen, wahrscheinlich absolut nichts ausrichten können. Wer nicht das Nötigste zum Leben hat, der schert sich kein bisschen um Plastikmüll oder Abgasemissionen.
Gleichzeitig brennt in Paris das Dach der weltberühmten Kathedrale Notre-Dame ab. Innerhalb von zwei Tagen spenden die Franzosen und Europäer (aus Prestigegründen?!) über eine Milliarde Euro für den Wiederaufbau der Kirche – mehr als für die fünf größten Projekte des Roten Kreuzes jemals zusammenkam.
Total interessant… Ich lese mich jetzt langsamdurch euren Blog…
Sehr Spannend – alles Liebe euch beiden
Danke, meine Liebe!
Ganz viele Grüße aus Lima 🙂